15. Februar 2012

Odessa

Dienstag - Donnerstag, 27.-29.September:      Odessa 
                                                                                     nach 10 km Velo
definitiv zu Fuss
  
am Bahnhof Odessa

Ab halb sieben beginnen die Passagiere aufzustehen, die Bettwäsche dem Wagenchef abzugeben und die Pritschen hochzuklappen: aus dem Schlafwagen wird wieder ein Reisewagen mit offenen 6-er Abteilen und Längsbänken. Und aus den Pyjama- Figuren werden wieder elegant gekleidete Damen und Herren, die im dichten Gedränge irgendwie eine Morgentoilette zu Stande bringen. Die letzte Stunde geht es nur noch als Bummelzug durch die Vororte von Odessa. Um 8 Uhr 10 ist Endstation meiner Reise. Ich warte, bis alle ausgestiegen sind und kann nun wirklich in aller Ruhe auspacken und auf dem Perron gemütlich das Velo wieder zusammensetzen. Es ist tatsächlich noch alles da!
Mit dem Velo schlängle ich mich durch das Verkehrschaos vor dem Bahnhof Für 26 Franken finde ich im „Zentralnaya“ ein Hotelzimmer, zwar (wie hier früher üblich) mit Etagendusche und -WC, aber ruhig und dem Namen entsprechend doch mitten im Zentrum. Von hier aus flaniere ich nach ausgiebigem Duschen 2 Tage lang kreuz und quer durch die Stadt und suche die Highlights dieser traditionsreichen Stadt auf
·        die direkt benachbarte Deribavskaya, die „Ausgangsmeile“ und das eigentliche Herz der Innenstadt mit Restaurants, Kaffees, Luxus-Geschäften, der den italienischen Galerien nachgebauten „Passage“ mit hohem Glasdach, ...
·        den Primorsky Bulvar mit den mächtigen schattenspendenden Allee-Bäumen vor den klassischen Verwaltungs-Gebäuden
·        das Denkmal des Herzogs de Richelieu, der als Statthalter im Auftrag von Katharina II die Stadt nach der Gründung durch seinen Landsmann de Ribas zur Blüte brachte, und die von hier zum Hafen hinunter führende breite Potemkin-Treppe, welche durch Eisensteins Film zu Weltruhm kam 
·        den blendend weißen Woronzow-Palast mit Aussicht über den Hafen und den modernen Passagierhafen (Morevoksal) mit dem schlichten Denkmal für die Frau und das Kind des verabschiedeten Seemanns
·        die Alte Börse (1835), heute Sitz des Stadtparlaments, und die Neue Börse (1899), heute Konzertsaal der Odessaer Philharmonie mit Platz für über 1‘000 Besucher
·        die 1887 fertiggestellte Oper, die als eines der schönsten Gebäude dieser Art gilt
·        reich verzierte Häuser aus der Blütezeit vor der Revolution und aus der Zwischenkriegszeit; viele sind als Architektur-Denkmäler gekennzeichnet, und auch neue Häuser werden aufwändig im Stil der Vergangenheit   gebaut
·        Parks mit ruhigen Ecken zum Verweilen und Genießen, .................

die Oper ("zweitschönste der Welt")

beim Voronzov-Palast

 Die Abende widme ich der Kultur:
am Dienstag besuche ich eine Aufführung der Oper „Fürst Igor" von A. Borodin; ich bin zwar keineswegs Opernfreund, aber schon nur was bei dieser Aufführung dem Auge geboten wird, ist den Eintritt mehr als wert, dazu wirklich eine tolle Aufführung vor meiner Loge im 2. Balkon aus für 100 Grivna (10 Franken!)
Am Mittwoch zum Liszt-Jubiläum ein kommentierter Klavier-Abend mit dem Pianisten-Paar Ilja und Olga Scherbakov: absolut faszinierend, und auch das für nur 30 Grivna .....



die berühmte Potjomkin-Treppe

am Hafen:"der Abschied des Seefahrers"




Am Mittwoch gilt meine Hauptsorge zunächst dem bevorstehenden Velo-Transport nach Zürich. In einem Velogeschäft möchte ich mir eine ausgediente Transportschachtel besorgen, aber die mir von Velopassanten in den Straßen angegebenen Adressen finde ich nicht. Endlich finde ich doch noch einen Roller- und Biker-Shop, aber Schachteln haben sie im Moment keine. Eine junge Verkäuferin Irina telefoniert aber sofort zu einigen anderen Geschäften und erhält schließlich von einem Geschäft in einer Vorstadt positive Rückmeldung. Da der Weg dorthin mit Bus und Marschrutkas nicht einfach ist, begleitet sie mich gleich selber dorthin und anschließend mit dem Tram auch zurück zum Hotel. Dazu erhalte ich von ihr wertvolle Tips für günstige Einkäufe. Für diese 2 sehr hilfreichen Stunden will sie nichts, und nur mit Mühe kann ich ihr wenigstens die Fahrkosten und eine Portion  „Warenki“ und ein Glas „Kompot“ bezahlen. Die mit Früchten gefüllten Ravioli in Vanille-Sauce und der erfrischende Früchte-Mix sind beliebte ukrainische Spezialitäten. Als letzte kulinarische Exkursion besuche ich nach dem Klavierabend nochmals ein georgisches Keller-Restaurant und versuche Lammfleisch-Eintopf und eine weitere Chatschapuri-Variante, diesmal adscharisch (mit einem halbrohen schwimmenden Ei in der Mitte. Und dazu gehört natürlich auch wieder guter (georgischer) Wein. Ein zufriedener Abschluss der Schwarzmeer-Tour.
Am Donnerstagmorgen verwende ich eine ganze Stunde, um mein Velo mit guter Polsterung zu verpacken  und die Schachtel mit einer ganzen Rolle Scotch zu verkleben. Irina hat mir am Vortag auch bereits ein günstiges Taxi mit genügend Platz für das grosse Gepäck bestellt. Es bringt mich um 11 Uhr für 140 Grivni zum Flughafen. Saccoche und Veloschachtel lasse ich mir nochmals verkleben, bezahle im LOT-Büro die 381 Grivni für das Velo und gebe die letzten 70 Grivni im Duty-free-Shop für einen Krim-Cognac aus. Der zwingt mich zwar beim Umsteigen in Warschau zu einem neuen Check-In, wo ich auch die Lenkertasche mit dieser Flasche als Gepäck aufgeben muss, aber als Souvenir ist sie mir das wert. Pünktlich um 19 Uhr lande ich wieder in der Schweiz, diesmal trotz 7 Kilo weniger Lebendgewicht  auch völlig unversehrt.
Ich bin glücklich und dankbar, dass auch diesmal wieder alles bestens  und unfallfrei geklappt hat.  Und dass ich nach einer solchen Tour immer wieder zu lieben Menschen heimkehren und hier immer noch unbesorgt das Leben geniessen darf.

eine gute Verpackung lohnt sich immer !



                                                                                 




                                                                                    > zurück zur Übersicht

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen