Nach dem Morgenessen schaue ich mir die Innenstadt zuerst einmal noch bei Tag an. Nach den umfassenden Kriegszerstörungen gibt es kaum historische Bauten. Eine der schönsten ist dabei die Johannes-Kirche aus dem 9. Jh, mit der kunstvoll restaurierten Steinkuppel. Besonders ins Auge sticht mir nach den großen Feierlichkeiten vom Vorabend ein Denkmal gegenüber meinem Hotel, das an den Abzug der so gefeierten Armee 2005 erinnert.
Um 9 Uhr fahre ich durch die Stadt auf das leicht hügelige Plateau hinauf und auf der Hauptstraße Richtung Westen. Einige meiner nächsten Ziele sind auf einer großen Distanztafel vermerkt: Feodosija 80 km, Jalta 285 km, Sewastopol 281 km, Yevpatorija 270 km. Allerdings werde ich mit meiner Kreuzundquer-Route einige Kilometer mehr zurücklegen müssen. Nach 33 km bin ich gespannt auf den in der Karte markierten türkischen Wall, der einst als Befestigung vom Asowschen bis zum Schwarzen Meer verlief, aber davon ist heute nur noch ein schwacher Graben sichtbar. Nach 50 km wähle ich eine Nebenstraße nach Norden um heute Abend beim Kap Kazantip am Asowschen Meer zu übernachten. Nach einer einsamen Kirche mit verwildertem Friedhof mitten in der Steppenlandschaft überquere ich kurz vor Ostanine den Kanal, welcher Wasser aus dem Dnjepr über Hunderte von Kilometern durch die Krim bis fast nach Kerch bringt. Auf einer Schotterstraße folge ich dem Kanal wieder nach Westen; mit dem Schotter ist es aber schon bald vorbei, statt dessen suche ich mir auf einer Erdpiste die besten Stellen zwischen teilweise tief eingegrabenen Radspuren. Ab und zu ein Motorrad oder im Schatten der spärlichen Gebüsche ein abgestelltes Auto, sonst nichts. Um wieder in Richtung Norden zu gelangen, wähle ich bald wieder einige Fahrspuren nordwärts. Einige Zeit geht es nur noch schiebend über eine steile Krete hinüber, aber in der fast endlos scheinenden Ebene dahinter ist wieder deutlicher ein Weg zu erkennen. Als Zeichen der Zivilisation quere ich auch noch eine Bahnlinie, aber dann zweigen die großen Traktorspuren wieder nach Westen ab, und in die von mir gewünschte Richtung führt nur noch ein gewundener Fußweg. Immerhin ist er noch befahrbar, und die Landschaft mit den einsamen Baumstrünken und im dürren Gras noch blassblau leuchtenden Blumen hat ihren ganz besonderen Reiz Am Horizont sind die Silhouetten einer Ortschaft zu erkennen, also einfach weiter auf diesem Weg. Irgendwann taucht aber hinter einem Gebüsch-Saum der Aktaske-See auf, den ich nur auf einer sehr groben Schotterpiste umfahren kann. Ein Sturz wäre äußerst schmerzhaft, also schön langsam weiter. Irgendwann sehe ich durch die Büsche vor mir etwas rotes, und 5 Minuten später hole ich völlig überraschend drei Velofahrer mit Gepäck ein. Am Ende des Sees schließen wir uns zusammen, denn sie haben das gleiche Ziel wie ich. Die drei Russen aus Moskau sind eine Woche lang auf einer Rundtour von Feodosija aus unterwegs. Sie haben als regelmäßige Besucher der Krim zwar sehr detaillierte Karten, aber auch sie finden sich hier kaum mehr zurecht. Immerhin sehen wir in der Ferne nun auch den Klotz des 1978 begonnenen AKWs Shcholkine, dessen Bau nach Tschernobyl und großen Protestkundgebungen 1987 eingestellt worden war. Unmengen von Schrott wurden von den Anwohnern inzwischen zwar abtransportiert, aber der riesige Baukran ragt immer noch weit über das Gebäude hinaus. Auf Umwegen mit Sackgassen, u.a. auch zu einer riesigen Schutthalde, wo Rinder und Ziegen zwischen Plastik, Glasscherben und stinkendem Abfall ihr Futter suchen, finden wir schließlich einen Weg in die seinerzeit für die Arbeiter des AKW erbaute Stadt. Nach den Hütten am Rand finden wir schließlich doch noch eine freundliche Innenstadt und erholen uns bei einem feinen Borschtsch und nachfolgendem Fleisch-Eintopf mit kühlem Bier.
Die Krim war im Krieg hart umkämpft |
Um 9 Uhr fahre ich durch die Stadt auf das leicht hügelige Plateau hinauf und auf der Hauptstraße Richtung Westen. Einige meiner nächsten Ziele sind auf einer großen Distanztafel vermerkt: Feodosija 80 km, Jalta 285 km, Sewastopol 281 km, Yevpatorija 270 km. Allerdings werde ich mit meiner Kreuzundquer-Route einige Kilometer mehr zurücklegen müssen. Nach 33 km bin ich gespannt auf den in der Karte markierten türkischen Wall, der einst als Befestigung vom Asowschen bis zum Schwarzen Meer verlief, aber davon ist heute nur noch ein schwacher Graben sichtbar. Nach 50 km wähle ich eine Nebenstraße nach Norden um heute Abend beim Kap Kazantip am Asowschen Meer zu übernachten. Nach einer einsamen Kirche mit verwildertem Friedhof mitten in der Steppenlandschaft überquere ich kurz vor Ostanine den Kanal, welcher Wasser aus dem Dnjepr über Hunderte von Kilometern durch die Krim bis fast nach Kerch bringt. Auf einer Schotterstraße folge ich dem Kanal wieder nach Westen; mit dem Schotter ist es aber schon bald vorbei, statt dessen suche ich mir auf einer Erdpiste die besten Stellen zwischen teilweise tief eingegrabenen Radspuren. Ab und zu ein Motorrad oder im Schatten der spärlichen Gebüsche ein abgestelltes Auto, sonst nichts. Um wieder in Richtung Norden zu gelangen, wähle ich bald wieder einige Fahrspuren nordwärts. Einige Zeit geht es nur noch schiebend über eine steile Krete hinüber, aber in der fast endlos scheinenden Ebene dahinter ist wieder deutlicher ein Weg zu erkennen. Als Zeichen der Zivilisation quere ich auch noch eine Bahnlinie, aber dann zweigen die großen Traktorspuren wieder nach Westen ab, und in die von mir gewünschte Richtung führt nur noch ein gewundener Fußweg. Immerhin ist er noch befahrbar, und die Landschaft mit den einsamen Baumstrünken und im dürren Gras noch blassblau leuchtenden Blumen hat ihren ganz besonderen Reiz Am Horizont sind die Silhouetten einer Ortschaft zu erkennen, also einfach weiter auf diesem Weg. Irgendwann taucht aber hinter einem Gebüsch-Saum der Aktaske-See auf, den ich nur auf einer sehr groben Schotterpiste umfahren kann. Ein Sturz wäre äußerst schmerzhaft, also schön langsam weiter. Irgendwann sehe ich durch die Büsche vor mir etwas rotes, und 5 Minuten später hole ich völlig überraschend drei Velofahrer mit Gepäck ein. Am Ende des Sees schließen wir uns zusammen, denn sie haben das gleiche Ziel wie ich. Die drei Russen aus Moskau sind eine Woche lang auf einer Rundtour von Feodosija aus unterwegs. Sie haben als regelmäßige Besucher der Krim zwar sehr detaillierte Karten, aber auch sie finden sich hier kaum mehr zurecht. Immerhin sehen wir in der Ferne nun auch den Klotz des 1978 begonnenen AKWs Shcholkine, dessen Bau nach Tschernobyl und großen Protestkundgebungen 1987 eingestellt worden war. Unmengen von Schrott wurden von den Anwohnern inzwischen zwar abtransportiert, aber der riesige Baukran ragt immer noch weit über das Gebäude hinaus. Auf Umwegen mit Sackgassen, u.a. auch zu einer riesigen Schutthalde, wo Rinder und Ziegen zwischen Plastik, Glasscherben und stinkendem Abfall ihr Futter suchen, finden wir schließlich einen Weg in die seinerzeit für die Arbeiter des AKW erbaute Stadt. Nach den Hütten am Rand finden wir schließlich doch noch eine freundliche Innenstadt und erholen uns bei einem feinen Borschtsch und nachfolgendem Fleisch-Eintopf mit kühlem Bier.
mit den 3 Moskauern am Kap Kazantip |
Den Strand finden wir aber dann wieder erst nach langen Umwegen auf verwinkelten Sandwegen. Außer einer kleinen Strandbeiz gibt es nichts, und so suchen wir uns hinter der kleinen Düne ein Plätzchen für unsere Zelte. Im Sonnenuntergang erhole ich mich im flachen, warmen Wasser mit Aussicht auf die felsige Landzunge, welche Kap Kazantip abschließt. Eigentlich wollte ich im nahen Restaurant etwas zum Essen holen, aber die Russen wollen ihre vor der morgigen Heimreise noch genügenden Vorräte teilen und laden mich zu ihrer Suppe mit Würsten und Brot ein. Um halb neun ist bei ihnen schon Nachtruhe, und ich genieße die friedliche Stimmung und das Rauschen der Wellen. Leider steigt aber allmählich der Lärmpegel von einigen Burschen und Mädchen, die in der Nähe ihre Schaschlik am Feuer braten und mit zunehmendem Alkohol-Konsum auch ihre Techno-Musik immer lauter aufdrehen. Ich fürchte, daß meine Ohro-Pax dem nicht ganz gewachsen sein werden!
Sonntag, 18. September Kap Kazantip - Kamianske - Feodosija 85 km
Nach Mitternacht ist es doch etwas ruhiger geworden, was mir einige Stunden Schlaf ermöglicht hat. In der Morgendämmerung glühen nur noch die letzten Reste des Grill-Feuers, dafür steigt die Sonne wie ein Feuerball aus dem Meer. Einer meiner russischen Kollegen schläft in seinem Schlafsack im Freien weiter, während die beiden anderen aus ihrem Zelt kriechen und zum Morgenbad starten. Sie werden hier noch den letzten Ferientag geniessen, bevor sie am nächsten Tag dann mit dem Zug aus Feodosija wieder ins schon herbstlich kalte Moskau zurückreisen. Um 8 Uhr fahre ich nach einem Farmer-Stengel als Morgenessen los und hoffe auf einen Morgenkaffee in Shcholkine, aber vergeblich: alles noch geschlossen. Also weiter. Erst nach 20 km finde ich in Kalynivka einen kleinen Laden, wo es neben meinem täglichen Proviant (Yoghurt, Mineralwasser, etwas Gebäck und Obst) auch endlich einen Kaffee gibt. Hier erkundige ich mich auch nochmals nach dem Weg entlang der Küste, der in meiner Karte nicht eingetragen ist, aber laut Auskunft meiner gestrigen Begleiter landschaftlich sehr schön und auch gut zu fahren sei. Sie haben nicht zu viel versprochen: nach einer kurzen Schotterstrecke führt zwar nur noch ein Erdweg weiter, dessen tiefe Fahrspuren mit gelegentlich sandigen Abschnitten volle Konzentration fordern, aber die Aussicht auf die felsige Steilküste mit Schwärme von Kormoranen und Möwen und das Meer mit allen Farben zwischen dunkelblau und türkisgrün ist wirklich grossartig. Landeinwärts unterbrechen nur wenige Baumreihen mit oft verkohlten Stämmen die dürren Grasflächen. Nach 20 km Einsamkeit und einem kleinen Sturz komme ich zu einigen halbzerfallenen Betonrohren: es sind die Lüftungen zum Wasserreservoir der direkt am hier endlich flachen Ufer gelegenen Siedlung Kamiansk. In der Ferne verschwindet die Arabatskaya Strelka, eine rund 90 km lange und oft kaum 100 m breite Nehrung. Bei Krim-Bikern gilt sie fast als Diplom, und über die „Strasse“ mit grobem Schotter und langen Sandabschnitten, zudem 70 km ohne jegliche Siedlung, findet sich in
Internetforen zwischen Begeisterung und Horrorgeschichten so ziemlich alles. Meine russischen Kollegen wollten es mir schmackhaft machen, aber ich will ja auf der Krim weiterfahren und habe so eine gute Ausrede. Meine Fortsetzung hat es aber auch in sich: statt den direkten Weg gegen Süden wähle ich nochmals eine Abzweigung und damit nochmals fast 25 km groben Schotter und Wellblechpiste mit nur einem einzigen kleinen gottverlassenen Dorf (L’vove). Aus einem Feld heraus schiesst mir ein Töffahrer entgegen und schreit mir aus seiner Staubwolke etwas zu. Tatsächlich, der schmale Erdweg führt mit einigen Kurven in die gleiche Richtung und ist viel angenehmer zu fahren als die eigentliche Strasse. Über ein letztes Stück löchrigen Asphalt gelange ich schliesslich bei Vladidlavivka endlich auf die Hautstrasse Dzhankoj - Feodosija. Die letzten 25 km bis Feodosija sind zwar auf guter Strasse mit mässigem Verkehr, aber auf die kleine Hügel und vor allem den starken Gegenwind könnte ich wirklich verzichten!
Das bekannte Jazz-Festival in dieser Stadt habe ich leider um eine Woche verpasst, stattdessen ist jetzt das „Wine Feodosija- Festival“, ein Riesenfest mit Musik und Variété. Von meinem Hotel gegenüber dem Bahnhof und der grossen Freilichtbühne komme ich so auch heute wieder in den Genuss von viel nervtötendem Techno-Gehämmer. Ich mache mich nach einer Dusche und kurzer Siesta deshalb lieber zu einem Spaziergang in ruhigere Gegenden auf und besuche die Ruinen der genuesischen Festung. Die im 6.Jh. v.Chr. von den Griechen gegründete Stadt wurde im 13. Jh. zur wichtigsten genuesischen Kolonie am Schwarzen Meer und mit 70‘000 Einwohnern eine der grössten Städte Europas. Sie wurde erst 1454 von den Türken und Tataren erobert und danach als Kaffa zu einem der grössten Sklavenmärkte. Die Sklaven aus Polen und Russland wurden zu zehnt an eisernen Ketten zusammengeschmiedet und so zu Fuss hierher gebracht. Den griechischen Namen erhielt die Stadt erst wieder 1783 mit der russischen Eroberung durch Russland. Von der Pracht der genuesischen Festung ist nicht mehr viel zu sehen; sie wurde unter den Russen weitgehend als Baumaterial-Lager genutzt, innerhalb der verbliebenen Mauern befinden sich heute einige Wohnhäuser und Schuppen. Aber die Mauern und Türme aus gelben Steinblöcken wirken über dem tiefblauen Meer sehr malerisch, und bei der kleinen armenischen Kirche am Fuss der Festung in einem Minipark ist vom Trubel in der Stadt nichts mehr zu spüren. Auf dem Rückweg streife ich im Schatten der mächtigen Bäume die Wohnquartiere, in denen vor allem die verwinkelten Leitungen der Gas- und Wärmeversorgung auffallen. Besonders sehenswert ist die schlichte armenische Sarkis-Kirche aus dem 14 Jh., die an die romanischen Kirchen Mitteleuropas erinnert und im Gegensatz zu orthodoxen oder georgischen Kirchen kaum Schmuck aufweist. Wie viele Gegenden an der russischen und ukrainischen Schwarzmeerküste hatte auch diese Stadt seit dem 14.Jh. eine starke armenische Bevölkerung.
Mit einem feinen gebratenen Lachs schliesse ich den abwechslungsreichen Tag ab und spaziere nochmals durch das lärmige Party-Treiben auf dem Hauptplatz. Was wohl der durch die grosse Bühne halb verdeckte Lenin dazu zu sagen hätte?
vor Kaniansk |
Das bekannte Jazz-Festival in dieser Stadt habe ich leider um eine Woche verpasst, stattdessen ist jetzt das „Wine Feodosija- Festival“, ein Riesenfest mit Musik und Variété. Von meinem Hotel gegenüber dem Bahnhof und der grossen Freilichtbühne komme ich so auch heute wieder in den Genuss von viel nervtötendem Techno-Gehämmer. Ich mache mich nach einer Dusche und kurzer Siesta deshalb lieber zu einem Spaziergang in ruhigere Gegenden auf und besuche die Ruinen der genuesischen Festung. Die im 6.Jh. v.Chr. von den Griechen gegründete Stadt wurde im 13. Jh. zur wichtigsten genuesischen Kolonie am Schwarzen Meer und mit 70‘000 Einwohnern eine der grössten Städte Europas. Sie wurde erst 1454 von den Türken und Tataren erobert und danach als Kaffa zu einem der grössten Sklavenmärkte. Die Sklaven aus Polen und Russland wurden zu zehnt an eisernen Ketten zusammengeschmiedet und so zu Fuss hierher gebracht. Den griechischen Namen erhielt die Stadt erst wieder 1783 mit der russischen Eroberung durch Russland. Von der Pracht der genuesischen Festung ist nicht mehr viel zu sehen; sie wurde unter den Russen weitgehend als Baumaterial-Lager genutzt, innerhalb der verbliebenen Mauern befinden sich heute einige Wohnhäuser und Schuppen. Aber die Mauern und Türme aus gelben Steinblöcken wirken über dem tiefblauen Meer sehr malerisch, und bei der kleinen armenischen Kirche am Fuss der Festung in einem Minipark ist vom Trubel in der Stadt nichts mehr zu spüren. Auf dem Rückweg streife ich im Schatten der mächtigen Bäume die Wohnquartiere, in denen vor allem die verwinkelten Leitungen der Gas- und Wärmeversorgung auffallen. Besonders sehenswert ist die schlichte armenische Sarkis-Kirche aus dem 14 Jh., die an die romanischen Kirchen Mitteleuropas erinnert und im Gegensatz zu orthodoxen oder georgischen Kirchen kaum Schmuck aufweist. Wie viele Gegenden an der russischen und ukrainischen Schwarzmeerküste hatte auch diese Stadt seit dem 14.Jh. eine starke armenische Bevölkerung.
Mit einem feinen gebratenen Lachs schliesse ich den abwechslungsreichen Tag ab und spaziere nochmals durch das lärmige Party-Treiben auf dem Hauptplatz. Was wohl der durch die grosse Bühne halb verdeckte Lenin dazu zu sagen hätte?
Montag, 19. September Feodosija - Stary Krym -Sudak - Privetnoe 115 km
Um 7 Uhr sind auf dem Hauptplatz zwar schon die Putzequipen am Werk, aber Kaffees sind noch nirgends offen, und die vielen Imbissbuden erst langsam am Öffnen. Statt aus frischem Brot und gutem Kaffee besteht deshalb mein Frühstück aus einem Kabis-Chebureki (im schwimmenden Fett gebackene gefüllte Teigtasche) und einem kaffeeähnlichen Gebräu an einem dieser Stände. Um 8 Uhr geht es wieder weiter, zunächst wieder ins Landesinnere nach Staryi Krym, der ersten "Hauptstadt" der im 14.Jh. in die Halbinsel eingefallenen Tataren. Damit geht es auch erstmals auf der Krim etwas in die Höhe, eine kleine Vorahnung zum Krimgebirge, welches die Südküste der Krim prägt. Anstelle durch braune Steppe fahre ich jetzt immer wieder durch Wald und Felder mit Reben oder umgepflügten Äckern. Staryi Krym ist heute trotz seiner 12‘000 Einwohner eher ein Dorf, in welchem die wenigen Sehenswürdigkeiten nur schwer zu finden sind. Das Krimtataren-Museum ist zwar ein schönes Gehöft, aber im malerischen Garten finde ich trotz Rufen und Klopfen niemanden, der mir die Räumlichkeiten öffnen könnte. Und auch zur Usbek-Khan-Moschee aus dem Jahre 1314 finde ich in einer der vielen unbefestigten Nebenstraßen erst nach mehrmaligem Hin und Her. Immerhin ist sie nicht verschlossen, so dass ich sie in Ruhe besichtigen kann. Nach einer Kaffeepause im verlotterten Stadtpark geht es darum schon weiter auf der stark befahrenen Hauptstraße Richtung Simferopol, der heutigen Hautstadt der Krim. Von 430 m geht es wieder auf 250 m hinab, und dann zweige ich nach Süden in ein enges Tal ab. Mit einigen teils sehr steilen Abschnitten führt die Nebenstraße über einen kleinen Pass 460 m.ü.M.) wieder in nach Süden sich öffnende Täler und schließlich in Sudak an die Küste zurück. Auch diese bedeutende Kurstadt hat eine große genuesische Vergangenheit, die sich in Form einer riesigen und teilweise schön rekonstruierten Festungsanlage äußert. Dieser Besuch ist sehr lohnend, und von der zwar offiziell nicht zugänglichen Felsenkuppe aus genieße ich die Aussicht über die 100 m tiefer liegende Stadt und die steile Küste. Die kurvenreiche Straße lädt zu einem Abstecher nach Novyi Svit ein, wo angeblich der beste Krim- Sekt hergestellt wird. Die Fahrt auf der engen Straße um die vielen Kuppen herum ist ein echtes Highlight, wenn man sich nicht gerade vor Ausflugscars in Sicherheit bringen muß, die die ganze Straßenbreite für sich beanspruchen. Die Abfahrt zur malerischen Bucht und zur Degustation in der Kellerei spare ich mir aber, da es erstens sehr heiß ist und ich zweitens ja noch weitere
"Pässe" vor mir habe. Um halb fünf Uhr starte ich nach einem Zvieri mit Glacé, Gebäck und Fruchtsaft im Stadtpark Sudak zur restlichen Tagesetappe und bin schon nach kurzer Zeit wieder fast alleine unterwegs. Auch hier zeigt sich wieder: der Küste entlang heißt noch lange nicht, dass es auch flach weiter geht. Und aus den gemäß Karte vorgesehenen drei Übergängen werden schließlich fünf, immer mit bis fast auf Meereshöhe eingeschnittenen Tälern dazwischen. Bei Einbruch der Dämmerung habe ich so bei meinem heutigen Ziel Privetnoe nach 116 km schon 1600 Höhenmeter hinter mir. Von den 2 in der Karte eingetragenen Zeltplätzen sehe ich nichts. Nach einem Anlauf zum nächsten Anstieg realisiere ich, dass ich mit diesen Steigungen bis zum nächsten Ort doch noch gut eine Stunde benötigen würde und kehre um. Irgendwo am langen Strand kann ich sicher mein Zelt aufstellen. Und über einen holprigen Weg komme ich im letzten Tageslicht auf einen Platz direkt vor dem Sandstrand, auf welchem noch knapp einige Zelt, Autos und eine Imbissbude. In einer einsamen Ecke fixiere ich mein Zelt so gut wie möglich mit Steinen. Das Bad spare ich mir für den Morgen auf. Dafür gibt es noch ein langes Gespräch mit Ukrainern aus Kiew, die ebenfalls hier zelten und von ihren Exkursionen in die Berge der Umgebung schwärmen. In der improvisierten Beiz stellt mir der Wirt noch eine heiße Fleichsuppe auf, und bei zwei großen Glas Rotwein genieße ich das Rauschen der Wellen in der mondlosen Sternennacht. Mein Zelt finde ich gegen halb elf Uhr trotzdem noch auf Anhieb.
Novi Svit bei Sudak |
"Pässe" vor mir habe. Um halb fünf Uhr starte ich nach einem Zvieri mit Glacé, Gebäck und Fruchtsaft im Stadtpark Sudak zur restlichen Tagesetappe und bin schon nach kurzer Zeit wieder fast alleine unterwegs. Auch hier zeigt sich wieder: der Küste entlang heißt noch lange nicht, dass es auch flach weiter geht. Und aus den gemäß Karte vorgesehenen drei Übergängen werden schließlich fünf, immer mit bis fast auf Meereshöhe eingeschnittenen Tälern dazwischen. Bei Einbruch der Dämmerung habe ich so bei meinem heutigen Ziel Privetnoe nach 116 km schon 1600 Höhenmeter hinter mir. Von den 2 in der Karte eingetragenen Zeltplätzen sehe ich nichts. Nach einem Anlauf zum nächsten Anstieg realisiere ich, dass ich mit diesen Steigungen bis zum nächsten Ort doch noch gut eine Stunde benötigen würde und kehre um. Irgendwo am langen Strand kann ich sicher mein Zelt aufstellen. Und über einen holprigen Weg komme ich im letzten Tageslicht auf einen Platz direkt vor dem Sandstrand, auf welchem noch knapp einige Zelt, Autos und eine Imbissbude. In einer einsamen Ecke fixiere ich mein Zelt so gut wie möglich mit Steinen. Das Bad spare ich mir für den Morgen auf. Dafür gibt es noch ein langes Gespräch mit Ukrainern aus Kiew, die ebenfalls hier zelten und von ihren Exkursionen in die Berge der Umgebung schwärmen. In der improvisierten Beiz stellt mir der Wirt noch eine heiße Fleichsuppe auf, und bei zwei großen Glas Rotwein genieße ich das Rauschen der Wellen in der mondlosen Sternennacht. Mein Zelt finde ich gegen halb elf Uhr trotzdem noch auf Anhieb.
Dienstag, 20. September Privetnoe - Alushta - Yalta 77 km
Aufwachen am Strand Privetnoe |
Noch selten so gut geschlafen: keine schreienden Esel, keine kläffenden Hunde, keine hämmernden Techno-Beats ...., dafür ein wunderbarer Tagesbeginn mit der hinter dem gut 30 km entfernten Landspitze des Urmany-Ustu aus dem Meer aufsteigenden Sonne. Das Morgenbad mit Sonnenaufgang tut gut und bereitet mich so richtig auf die nächsten Pässe vor. Vor den Weinfeldern in der kleinen Küstenebene besammeln sich die Arbeiter zur Traubenernte, während ich die kühlen Morgentemperaturen nutze, um möglichst schweissfrei den ersten Pass zu bezwingen. Erst nach zwei Stunden und zwei steilen Übergängen gibt es in Rybache etwas zu essen. Auf einer Terrasse über dem Strand verzehre ich 2 Blini mit Speck und decke mich nach einem starken Kaffee auf dem Markt wieder mit dem Tagesproviant ein.
Schon nach wenigen Kilometer stoppe ich bei Malorichensk’e wieder. Die blendend weiße kleine Kapelle mit schlankem hohem Turm erweist sich als Niklaus-Kapelle, sozusagen der jüngere und vor allem auch reichere Bruder unserer Kapelle in Geuensee. Ein daneben liegende kleines Museum erinnert an die größte Schiffskatastrophe der Sowjetunion. Im August 1986 wurde das Passagierschiff „Admiral Nachimov“ , das zwischen Odessa und Batumi unterwegs war, in der Nacht trotz Windstille und klarer Sicht von einem Frachter unweit der Küste gerammt und riss 450 der 1230 Passagiere in die Tiefe.
Schon nach wenigen Kilometer stoppe ich bei Malorichensk’e wieder. Die blendend weiße kleine Kapelle mit schlankem hohem Turm erweist sich als Niklaus-Kapelle, sozusagen der jüngere und vor allem auch reichere Bruder unserer Kapelle in Geuensee. Ein daneben liegende kleines Museum erinnert an die größte Schiffskatastrophe der Sowjetunion. Im August 1986 wurde das Passagierschiff „Admiral Nachimov“ , das zwischen Odessa und Batumi unterwegs war, in der Nacht trotz Windstille und klarer Sicht von einem Frachter unweit der Küste gerammt und riss 450 der 1230 Passagiere in die Tiefe.
die Niklaus-Kapelle von Malorichensk'e |
Einmal mehr erst in der Dämmerung und damit auch im dichtesten Abendverkehr komme ich um gegen 18 Uhr in Jalta an. Die Zimmervermittlungsstelle am Busbahnhof ist geschlossen, Personen mit Mietangeboten sehe ich im Gewühl auch keine, also suche ich auf eigene Faust selber eine Unterkunft. Im sehr zentral gelegenen Hotel „Krim“ finde ich für 360 Grivni ein Zimmer im 5. Stock und darf für 50 Grivni auch noch das Velo in einem abschließbaren Zimmer verstauen. Da die dringend nötige Renovation bisher nicht erfolgt ist, gibt es keinen Lift, und irgendwie scheint alles zu wackeln, aber dafür lässt sich auch noch die ruhmreiche Vergangenheit ums Ende des 19. Jh. erahnen. Da schleppt man eben das Gepäck all die Treppen hoch und ertastet sich im obersten Korridor irgendwie den Lichtschalter. Ab 20 Uhr gibt es sogar zwei Stunden lang warmes Wasser, ebenso am Morgen von 7 bis 8 Uhr.
Statt der als sehenswert beschriebenen armenischen Kirche finde ich hinter einem riesigen Einkaufszentrum nur düstere Plattenbauten.-Quartiere. Auf der Ostseite ist der älteste Stadtteil mit seinen engen, aber kaum beleuchteten enge und steile Gässchen bis zum hell beleuchteten Jan-Chrysostomos-Glockenturm hinauf sehr stimmungsvoll. Auf der schönen Strandpromenade ist wie in all diesen Ferienorten ein Riesen Rambo-Zambo, bietet mir aber immerhin etwas Erholung und dazu gute Straßenmusikanten. Sonst hat Jalta nicht viel zu bieten, aber trotzdem sollen angeblich jährlich über 2 Millionen Touristen die Stadt besuchen. Für mich bleibt aber auch der Name Massandra in bester Erinnerung: im kleinen Ort oberhalb der Stadt ist eine der besten Kellereien, die den Krim-Wein berühmt gemacht hat und deren Produkt ich heute sicher nicht zum letzten Mal genossen habe.
Mittwoch, 21. September Yalta - Ai Petri - Bachtschisaraij 86 km
auf dem Zarenpfad |
Dafür ist am nächsten Tag die Weiterfahrt spektakulär. Während am Beginn der Strandpromende Lenin vom hohen Sockel unnahbar in die Zukunft blickt, erwarten mich am anderen Ende mit Gogol und Tschechov zwei etwas erfreulichere Berühmtheiten. Am Ende des ausgedehnten Meeres-Parks mit zahlreichen Sanatorien finde ich trotz fehlender Markierung den alten "Zarenpfad", der durch Wald auf fast immer gleicher Höhe die folgenden Orte verbindet und mir die höher liegende Hauptstraße erspart. So stoße ich auch auf den Palast in Levadya, wo 1944 die große Jalta-Konferenz stattfand, an welcher das Nachkriegs-Europa aufgeteilt wurde. Das Museum ist noch geschlossen, aber alleine das Äußere der blendend weißen Gebäude und der großzügig angelegte gepflegte Park drum herum sind eindrücklich. Aus dem hinteren Teil des Parks führt der Zarenpfad weiter durch den Wald mit knorrigen Eichen, Buchen und Föhren. Ab und zu gerate ich auf eine Asphaltstraße oder in eine Baustelle, aber irgendwo auf gleicher Höhe find ich schließlich immer wieder den Pfad, der fast durchgehend mit dem Velo befahrbar ist.
Am Morgen stoße ich glücklicherweise auch erst vereinzelt auf Fußgänger, die diesen tollen Panoramaweg ebenfalls genießen wollen. Mitten in der Wildnis wird der Pfad auch durch eine 1843 erbaute Aussichtsrotonde mit einer mächtigen Säulenreihe unterbrochen. Kurz vor Haspra kündet eine alte Holztafel das wohl berühmteste Photo-Sujet der Krim an: das „Schwalbennest“. Der exponierte Felssporn wurde schon seit dem Altertum für Festungen und/oder Leuchttürme genutzt. Das erst 1912 von einem deutschen Öl-Industriellen an Stelle einer früheren Villa erbaute Schlösschen im Stil einer alten Ritterburg ist heute ein teures Restaurant, auf dessen Besuch ich gut verzichten kann. So verlasse ich den Zarenpfad erst bei Koreiz und steche nach Mizkhor ans Meer hinunter mit der stillen Hoffnung, dass die dort startende Seilbahn auf den Ai Petri auch mein Velo samt Gepäck aufnehmen wird. Aus eigener Kraft wären mir die 1200 Höhenmeter doch etwas zu viel. Der Wegweiser zu einer Seilbahn erweist sich allerdings als irreführend: es ist nur eine kleine Gondelbahn vom Strand ins Ortszentrum hinauf. Dank 3 Mountainbikern, die gezielt in eine Seitenstraße flitzen, find ich schließlich doch die richtige Station. Besonders vertrauenserweckend sieht das nicht aus, aber eine Portion Gottvertrauen gehört bei der Fahrt mit dieser nostalgischen Seilbahn auch dazu, und schließlich erspart sie mir einige Liter Schweiß. Für 60 Grivna für mich plus 30 fürs Velo gelange ich über 2 Sektionen in der vollgestopften Kabine auf den felsigen Aussichtsberg hinauf. Und die Aussicht aufs Meer ist wirklich spektakulär! Ich genieße sie auf der Restaurant-Terrasse direkt über dem Abgrund bei einer Schale Plov (usbek. Reiseintopf) mit frischem Lavash (Brot) und einer Flasche Kwaß (leicht alkoholisches Brotbier). Die Touristenscharen wandern von hier zum nahen Hauptgipfel mit dem gänzlich unorthodoxen Gipfelkreuz (es soll einst einer italienischen Film-Equipe als billigerer Ersatz für einen Schweizer Gipfel gedient haben, wobei aber der Abbruch der Kulisse im Filmbudget vergessen gegangen sei .....) oder stehen für Pferde-, Kamel- und knatternde Quad-Ausritte an.
Mittagessen auf dem Ai Petri |
Ganz im Gegensatz zur steilen Meeresseite dehnt sich nach Norden eine wellige Hochebene aus, die an die Jura-Freiberge erinnert. Nach einer Besichtigung der Tremola, die sich von Jalta auf den Paß windet, sowie einer anstrengenden und glücklicherweise erfolgreichen Tour zum Wiederauffinden meines vor lauter Schlaglöchern verlorenen Notizbüchleins geht es endlich nordwärts ins Landesinnere weiter. Zunächst einige Kilometer auf der Hochebene, und dann beginnt eine kaum enden wollende Genussfahrt talwärts durch immer dichteren Wald und kaum einer Auto-Begegnung. Nur vor dem Eingang zur „Großen Schlucht“, einem sehr beliebten Wandergebiet, häufen sich die Fahrzeuge. Ich kreuze einige Velofahrer, teilweise auch mit Gepäck, und gratuliere mir jedesmal wieder, dass ich für diesen langen Weg die Gegenrichtung gewählt habe. 23 km nach der Hochebene komme ich im Talboden auf 300 m.ü.M. mit Sokolyne erstmals wieder in ein Dorf. Bis Tankove geht es fast flach durch Wiesen und Wald weiter. Über dem Wald leuchten beidseitig bizarre Felsformationen und teils senkrechte Wände als Ränder mächtiger Tafelberge. Vom Talausgang nochmals 12 km auf einer größeren Straße komme ich um halb sieben Uhr in Bachtschysaraj an. Die heutige Stadt ist absolut unattraktiv. Erst mit der Zeit entdecke ich, dass das in den Touristenführern gerühmte jahrhundertelange Zentrum der Krim-Tataren rund 2,5 km weiter östlich an dem aus dem Krim-Gebirge kommenden Baches liegt. So dämmert es schon wieder, bis ich dort ankomme und die Unterkunftssuche starte. Eine Frau nimmt mich gleich in Beschlag und führt mich durch enge, kaum befahrbare Gassen und Wege zu ihrem Haus. Die von ihr angepriesene 3-Sterne-Unterkunft erweist sich als ein mit Wand- und Bodenteppichen überladenes Zimmer, das ich nur im Storchenschritt durch die vollgestopfte Küche erreiche. Für die „Dusche“ im Garten bringt sie mir 2 Kessel mit warmem Wasser, von der „Toilette“ hinter dem Haus spricht man lieber nicht. Aber nun wieder etwas anderes suchen will ich nicht, irgendwie gehört ja auch dies zum Reise-Erlebnis. Und schließlich interessiert mich hier ja auch die Vergangenheit, die ich hier auch vor mir habe: die Frau ist Krim-Tatarin, und ihre Eltern waren 1942 wie alle Menschen dieses Volkes nach Kasachstan und Sibirien deportiert worden. Erst 1956 konnten sie zunächst in die Ukraine und 10 Jahre später auf die Krim zurückkehren, wo sich inzwischen neue Siedler niedergelassen hatten.
Beim Schaschlik in einem einfachen tatarischen Restaurant mit guten Massandra-Wein findet auch dieser Tag einen genussvollen Abschluss. Schließlich lasse ich auch noch das endlose Geschwätz meiner Gastgeberin über mich ergehen, die mir alle Briefe und Karten früherer Gäste aus aller Welt zeigen will und vor allem immer wieder betont, wie viel teurer und trotzdem miserabel die nur 50 Meter weiter liegende Touristenbasis „prival“, sei, die ich ja eigentlich gesucht hatte (!)
Donnerstag, 22. September Bachtschisaraij - Inkerman - Sevastopol 60 km
Obwohl mich die Hausherrin fast zum Bleiben nötigen will, packe ich um 7 Uhr meine Sachen und starte zu den Besichtigungen. 2 km hinter dem Ort liegt in einem kleinen Seitental das Uspenskij-Felsen-Kloster aus dem 9. Jahrhundert, eines der ältesten Klöster auf der Krim, das auch unter der Tatarenherrschaft weiterlebte und heute ein vielbesuchter Wallfahrtsort ist. Nach dem Zugang über eine Freitreppe und ein Eingangsportal kommt man zum eigentlichen
Kloster, von dessen Kirchen, Korridoren und weiteren Räumen in der steilen Felswand nur kleine Öffnungen zu sehen sind. Am Fuße der Felsen wird unterdessen an einer wesentlich größeren Klosteranlage gebaut. Zwei Kilometer weiter hinten im Tal erreiche ich zu Fuß nach den Resten eines Derwisch-Klosters und eines muslimischen Friedhofes mit Chufut-Kale eine weitere Sehenswürdigkeit. Sie ist die am besten erhaltene der vielen Felsenstädte in diesem Gebiet und wurde vom 7. Jh. bis ins 19. Jh. bewohnt. Der Zugang ist nur durch ein schmales Tor möglich, doch nach einigen Kehren an dunklen Wohnhöhlen vorbei findet man auf dem Plateau die Reste mächtiger Bauten. Von der Periode als Hauptstadt des Krim-Khanats zeugen noch ein großes Mausoleum und Reste einer Moschee. Als Bachtschysaraj zur Hauptstadt wurde, lebten vor allem die jüdischen Karäer hier, bauten es weiter aus und gaben den heutigen Namen (=“ jüdische Festung“). Neben in den Fels gehauenen Lager- und Werkstatträumen sind denn auch die beiden Kenasen (= jüd. Gebetshäuser) und das Wohnhaus des Gelehrten Firkovich, (der u.a. „nachweisen“ konnte, dass die jüdischen Karäer schon vor Christus auf die Krim ausgewandert seien und damit keine Mitschuld an der Kreuzigung gehabt hätten), gut erhalten. Von dem Felsplateau aus wird deutlich, wie das Wasser im Laufe der Jahrtausende die Täler in eine ursprünglich durchgehende Ebene eingeschnitten hat. Auf dem Rückweg kommen mir schon immer mehr Touristengruppen entgegen, und entlang dem Weg stellen Verkäufer überall ihre Souvenirs zum Verkauf aus, dies sie in riesigen Taschen zu Fuß jeden Tag wieder hierher schleppen. Zum Glück bin ich vorher gekommen!
Das Uspenskij-Kloster |
im Khans-Palast Bachtschysaraj |
Als letzes besuche ich zurück in Bachtschysaraj den Khans-Palast, der mit seiner Pracht eindrücklich die einstige Macht und den Reichtum der Tataren zeigt. Schon der äußere Eindruck der reichverzierten Gebäude ist beeindruckend, und die ausgedehnte fachkundige Führung ist nie langweilig und erklärt sehr gut die Funktion und Bedeutung der reich ausgestatteten Räume und vieler kleiner Details. Trotz der vielen Touristen ein Ort zum Ruhen und Schauen. Ich mache meine Mittagspause mit kurzem Nickerchen im Schatten der mächtigen Bäume und starte um halb zwei zur heutigen Etappe nach Sewastopol.
Auf der Hauptstraße Richtung Küste geht es zunächst sehr bequem und schnell vorwärts. Aber in Meeresnähe wird es leider doch wieder hügelig. Und obwohl Inkerman an der gleichen Bucht wie Sewastopol liegt, muss ich noch eine 10 km lange und zu Beginn sehr steile Schleife nach Süden machen, bevor sich mein Ziel mit einem gigantischen Bogen über die nun schon autobahnähnliche Straße ankündet. Erst ab dem Bahnhof kann ich mich in dieser Großstadt wieder einigermaßen orientieren. Auch das Stadtgebiet ist sehr hügelig, und erst nach weiterem Nachfragen finde ich (schon wieder im dichten Abendverkehr!) den Weg zum Hotel Krim, das ich mir aus dem LonelyPlanet herausgeschrieben habe. Der 12-stöckige Bau mit 380 Zimmern ist ein typisches ehemaliges Intourist-Hotel mit dem unverkennbar sowjetischem „Charme“, und natürlich fließt warmes Wasser ebenfalls nur zu den besonderen Stunden aus dem Hahn, der Lift funktioniert auf gut Glück, aber als moderne Errungenschaft verfügt es doch auch über einen großen Internet-Raum, wo ich wieder einmal meine Eindrücke und Grüße nach Hause schicken kann.
Bei einem ersten Rundgang über den Primorsky Bulvar und gutem Essen beschließe ich, in dieser Stadt etwas auszuruhen, die Sehenswürdigkeiten zu genießen und erst am Samstag zur letzten Etappe nach Yevpatorija (und dann irgendwie nach Odessa) zu starten. Nach inzwischen 2050 km kann ich diese Pause wieder einmal brauchen!
Abend in Sevastopol |
Freitag, 23. September Sevastopol (zu Fuss )
Das Velo habe ich auf dem bewachten Parkplatz eingeschlossen, heute ist velofrei (was ich, aber vielleicht auch mein Velo, sehr schätzen!).
Um 8 Uhr gibt es im Speisesaal Morgenessen, auch das noch richtig sowjetisch: der Platz an einem 4-er Tisch wird zugewiesen, nach Abgabe des Bons bringt eine „Offiziant“ den Teller mit einer Portion Kascha (Buchweizenbrei), 2 Stück Brot, ein aus dem Eiswasser gefischtes Stück Butter, 2 Scheiben Schnittfleisch, 1 Stück Käse, eine Tasse Schwarztee und ein eingepacktes Schoko-Stück. Jeder isst schnell und verschwindet wieder wortlos. Ich muss jetzt zuerst einmal schauen, wie ich meine Reise fortsetzen will. Von Andi Reusser, der zwei Wochen zuvor von Odessa nach Feodosija mit dem Velo unterwegs war, habe ich die Bestätigung erhalten, dass vom Nordende der Krim bis Odessa die Landschaft recht monoton sei und das Fahren auf den geraden Raserstrecken langweilig und auch gefährlich sein könnte. Also will ich die verbleibenden Tage lieber nutzen, um auch die wenig bekannte Tarankhut-Halbinsel im Nordwesten der Krim zu erkunden, von der auch die Russen am Kap Kazantip geschwärmt hatten. Auf meiner Krim-Karte sind zudem von Feodosija und von Chornomorske an der Nordküste aus Schiffslinien nach Odessa eingezeichnet. Eine Kontaktperson, die ich von zu Hause aus gefunden hatte, sandte mir zwar ein e-mail, dass es keine solche Verbindung gebe, aber ich hatte noch immer Hoffnung. Diese macht mir nun aber die Hafenverwaltung in Sewastopol zunichte, denn die zweimal wöchentlich zwischen Jalta, Sewastopol und Odessa verkehrende Schnell-Fähre hat seit Ende August Saison-Schluss. Also bleibt nur Bahn oder Bus. Am Bahnhof kann ich mir gerade noch den letzten Platz für den Nachtzug ab Krasnoperkopsk nach Odessa für Dienstagnacht sichern. Die Fahrt ist sehr billig: 88 Grivni (rund 9 Franken) für die achtstündige Fahrt. So bleiben mir 3 Tage für Yevpatorija und Tarankhut, und heute habe ich ausgiebig Zeit für Sewastopol.
Um 8 Uhr gibt es im Speisesaal Morgenessen, auch das noch richtig sowjetisch: der Platz an einem 4-er Tisch wird zugewiesen, nach Abgabe des Bons bringt eine „Offiziant“ den Teller mit einer Portion Kascha (Buchweizenbrei), 2 Stück Brot, ein aus dem Eiswasser gefischtes Stück Butter, 2 Scheiben Schnittfleisch, 1 Stück Käse, eine Tasse Schwarztee und ein eingepacktes Schoko-Stück. Jeder isst schnell und verschwindet wieder wortlos. Ich muss jetzt zuerst einmal schauen, wie ich meine Reise fortsetzen will. Von Andi Reusser, der zwei Wochen zuvor von Odessa nach Feodosija mit dem Velo unterwegs war, habe ich die Bestätigung erhalten, dass vom Nordende der Krim bis Odessa die Landschaft recht monoton sei und das Fahren auf den geraden Raserstrecken langweilig und auch gefährlich sein könnte. Also will ich die verbleibenden Tage lieber nutzen, um auch die wenig bekannte Tarankhut-Halbinsel im Nordwesten der Krim zu erkunden, von der auch die Russen am Kap Kazantip geschwärmt hatten. Auf meiner Krim-Karte sind zudem von Feodosija und von Chornomorske an der Nordküste aus Schiffslinien nach Odessa eingezeichnet. Eine Kontaktperson, die ich von zu Hause aus gefunden hatte, sandte mir zwar ein e-mail, dass es keine solche Verbindung gebe, aber ich hatte noch immer Hoffnung. Diese macht mir nun aber die Hafenverwaltung in Sewastopol zunichte, denn die zweimal wöchentlich zwischen Jalta, Sewastopol und Odessa verkehrende Schnell-Fähre hat seit Ende August Saison-Schluss. Also bleibt nur Bahn oder Bus. Am Bahnhof kann ich mir gerade noch den letzten Platz für den Nachtzug ab Krasnoperkopsk nach Odessa für Dienstagnacht sichern. Die Fahrt ist sehr billig: 88 Grivni (rund 9 Franken) für die achtstündige Fahrt. So bleiben mir 3 Tage für Yevpatorija und Tarankhut, und heute habe ich ausgiebig Zeit für Sewastopol.
Als erstes fahre ich mit dem Bus zu der etwa 3 km entfernten antiken Stadt Khersonesos auf einer Landspitze westlich der Stadt. Von der durch Griechen im 6.Jh. v.Chr. gegründeten Stadt sind viele Bauten noch sichtbar und rekonstruiert, weitere Ausgrabungen sind im Gange. Neben Stadtmauern, Häusern und Straßen sind vor allem die Reste einer Akropolis vor dem tiefblauen Meer sowie das weitgehend restaurierte Amphitheater sehenswert. Mitten in dem riesigen Areal steht die mächtige Vladimir-Kathedrale. In ihrer Nähe soll ursprünglich auch die Basilika mit dem Taufbecken gestanden haben, wo der Kiewer Großfürst Vladimir sich nach der Eroberung der Stadt christlich taufen ließ und damit das Christentum für die Kiewer Rus als Staatsreligion wählte. Reizvoller als der Prunkbau sind in der Nähe die Statue des Apostel Andreas, der auch hier gewirkt haben soll, sowie der hölzerne Glockenstuhl mit den vielen Glocken jeglicher Größe, die die orthodoxen Mönche über Seile zu einem bunten Glockenspiel erklingen lassen.
Khersonesesos |
Den Rest des Nachmittags verbringe ich wieder in der Stadt. Sewastopol ist trotz ukrainischer Selbständigkeit auch heute noch Zentrum der russischen Schwarzmeer-Flotte. Die Stadt hat wegen ihrer strategischen Bedeutung aber seit der Gründung vor 230 Jahren eine besondere Stellung und eine von Kriegen geprägte Geschichte. Im Krimkrieg (1854-56) wurde sie fast drei Jahre lang von Engländern, Franzosen, Italienern und Türken belagert und beschossen, aber nie erobert. Die danach völlig zerstörte Stadt wurde neu aufgebaut, aber im 2. Weltkrieg von den Deutschen wiederum weitgehend zerstört. Danach wurde sie ein drittes Mal nach dem vorherigen Stadtbild und mit fast allen Repräsentativ-Bauten aus der Zarenzeit rekonstruiert. Mit immer weiteren Restaurationen auch von alten Wohnhäusern, Kirchen, den blendend weißen Verwaltungsgebäuden (heute inzwischen zwar vielfach zu Banken umfunktioniert !) und den ausgedehnten Uferpromenaden und Parks ist die Stadt auch touristisch attraktiv. Die Monumente aus zaristischer und kommunistischer Zeit reihen sich nahtlos ins Stadtbild ein.
Ich besuche auch das monumentale Panorama „Verteidigung von Sewastopol 1854“, einem Rundumbild von gut 20 m Durchmesser, das dreidimensional Szenen aus dem Belagerungskrieg zeigt. Es wurde vor dem Einmarsch der Deutschen abgebaut, mit Schiffen in Sicherheit gebracht und nach dem Weltkrieg wieder originalgetreu aufgebaut. Den Abend genieße ich beim Gang zur „Gräfischen Anlegestelle“, die extra für den Besuch durch Katharina II. erstellt worden war, und durch die Parks, wo die Männer an Tischen Schach und Domino spielen. Nach einem guten Nachtessen im „Traktir 1854“ (mit 2 Glas Massandra) erkundige ich auf dem Rückweg zum Hotel den morgigen Weg zur Artbuchta, von wo nach Fahrplan bereits um 7 Uhr bereits eine Auto-Fähre zum Nordufer der Bucht abfahren soll.
Ich besuche auch das monumentale Panorama „Verteidigung von Sewastopol 1854“, einem Rundumbild von gut 20 m Durchmesser, das dreidimensional Szenen aus dem Belagerungskrieg zeigt. Es wurde vor dem Einmarsch der Deutschen abgebaut, mit Schiffen in Sicherheit gebracht und nach dem Weltkrieg wieder originalgetreu aufgebaut. Den Abend genieße ich beim Gang zur „Gräfischen Anlegestelle“, die extra für den Besuch durch Katharina II. erstellt worden war, und durch die Parks, wo die Männer an Tischen Schach und Domino spielen. Nach einem guten Nachtessen im „Traktir 1854“ (mit 2 Glas Massandra) erkundige ich auf dem Rückweg zum Hotel den morgigen Weg zur Artbuchta, von wo nach Fahrplan bereits um 7 Uhr bereits eine Auto-Fähre zum Nordufer der Bucht abfahren soll.
Samstag, 24. September Sevastopol - Saky - Yevpatorija 106 km
Nach einem morgendlichen Intermezzo im Hotel um ein kleines Tüchlein, das beim Aus-checken bereits als fehlend registriert worden war, erreiche ich die Artbuchta doch noch um 10 vor 7, aber ein Arbeiter klärt mich auf, dass der Fahrplan eben nicht immer stimme und die erste Fähre erst um 8 Uhr starte. Also nix wie los zum „Seehafen“ bei der Gräfischen Anlegestelle, und hier komme ich gerade noch rechtzeitig für die kleine Personen-Fähre, auf der ich aber das Velo ebenfalls mitnehmen darf, da es am Samstag noch genügend Platz hat. Die Sonne geht während der zehnminütigen Fahrt erst auf, doch beim Landungssteg ist der Markt schon voll im Gange, und mit den Saccochen auf meinem Velo komme ich kaum zwischen all den auf dem Boden und auf kleinen Marktständen ausgebreiteten Früchten, Gemüse, Brote, Fleisch und Käse hindurch. Etwas außerhalb der Stadt nehme ich an einer mit Mosaik geschmückten Bushaltestelle mein Frühstück mit Yoghurt, Brot und Wasser und starte dann definitiv Richtung Yevpatorija. Nach einigen bis etwa 120 m hohen Hügeln wird es immer flacher. Die Straße ist gut, und ab Fruktove, wo die Straße nach Bachtschysaraj und Simferopol abzweigt, gibt es auch nur noch mäßig Verkehr .Nach den morgendlichen 17 Grad wird es trotz wolkenlosem Himmel tagsüber nur noch maximal 28 Grad warm. Ohne Gegenwind eine sehr angenehme Fahrt! Bei Mykolaivka verzichte ich auf die Hauptstraße über Rozdolne und wähle die löchrige Straße gegen Frunze. Dafür muß ich schließlich auch noch 3,5 km Erdweg in Kauf nehmen, aber ich bin ja früh dran und habe Zeit. Punkt 12 Uhr komme ich in Saky an, wo mir sofort die vielen Invaliden auffallen. Der Schlamm aus den Salzseen der Umgebung und das bromhaltige Mineralwasser sollen eine heilende Wirkung haben, weshalb die Kleinstadt zu einem Kurzentrum wurde. Den Versuch, hier Zwischenverpflegung zu kaufen, gebe ich bald auf: der erste Laden schließt wegen Warenanlieferung, und im zweiten Laden bringt mich das russische Verkaufssystem fast zur Verzweiflung: zuerst anstehen, bis man sehen kann, was man kaufen will, dann an der Kasse anstehen zum Bezahlen, dann mit dem Kassenzettel wieder anstehen zum Abholen des gekauften Produktes .... Da ruhe ich lieber auf einer schattigen Bank vor dem Stadthaus aus und begnüge mich mit einem meiner Farmer-Stengel.
Über eine 12 km lange Nehrung, leider nun mit Gegenwind, erreiche ich um halb 3 Uhr Yevpatorija. Im kleinen Hotel „Kosmos“ im Obergeschoss des schön renovierten Busbahnhofs will mir die Frau zwar zunächst kein Zimmer geben, da dies teuer sei und ich offenbar zu ärmlich aussehe. Erst nach längerer Erklärung scheint sie zu begreifen, dass ich wirklich hier das Zimmer will, vor allem wegen dem perfekten Bad mit Dusche. Und 250 Grivna für eine moderne kleine 2-Zimmerwohnung ist für mich nun wirklich ein „Schnäppchen“. Sogar das Velo darf ich hereinnehmen, das ich mit 2 Kabelschlössern in einem versteckten Winkel an den Dachablauf gebunden habe. Nach Meinung von 2 Polizisten, die hier Tag und Nacht patrouillieren, ist eben auch das viel zu riskant.
Yevpatorija ist eine wahre Multi-Kulti-Stadt: im alten Zentrum mit den ein- und zweistöckigen Häusern innerhalb der teilweise noch erhaltenen Stadtmauern hat es ein jüdisches, ein tatarisches, ein armenisches und ein russisches Quartier. Neben der nach dem Vorbild der Haga-Sophia um 1550 erbauten Dzhuma-Dzhami- Moschee, wo gerade eine Trauung stattfindet, steht die Nikolai-Kathedrale, das größte orthodoxe Gotteshaus auf der Krim. Und wenige Straßen weiter stoße ich auf die Egiya-Kapay-Synagoge, die aber geschlossen ist. Von der armenischen Nikolai-Kirche sehe ich nur den Turm, ohne den Zugang in den engen Sträßchen zu finden. Ich besuche dafür die um 1810 erbauten karäischen Kenasen mit den hellen Laubengängen zwischen den Gebäuden. Mitten unter der Laube erinnert ein goldener Adler an den Besuch durch Zar Alexander. Die beiden Kenasen sind die am besten erhaltenen Gebetshäuser dieser jüdischen Volksgruppe und auch noch regelmäßig in Betrieb. Die Stadt ist aber auch der größte Kurort der Krim, und so besteht ein großer Teil der Stadt aus Alleen und Promenaden, die von Hotels und Pensionen gesäumt sind und auf denen an diesem schönen Spätsommerabend zwischen all den Ständen mit Attraktionen und Souvenirs mit dem Velo kaum ein Durchkommen möglich ist. Neben den neueren Bauten fällt mir an der Uferpromenade zwischen den hohen Bäumen auch besonders ein Holzhaus mit geschnitzten Balkongeländern auf. Mit den quietschenden Trams, die mit maximal 20 km/h auf krummen Geleisen durch die Straßen rumpeln, fühlt man sich nach dem Lärm und den grellen Leuchtreklamen plötzlich um Jahrzehnte zurückversetzt. Außerhalb des Tourismus-Klamauks gibt es in den Straßen kaum Licht, und so finde ich mein Hotel erst wieder nach längerer Irrfahrt. Kurz in einem nahen Restaurant etwas essen, Verpflegung für morgen einkaufen und vor Mitternacht in die Klappe. Morgen will ich bereits um halb 7 starten, um die Fähre bei Myrny um 8 Uhr nicht zu verpassen. Im LonelyPlanet heißt es, dass über die kleine Lücke in der dortigen Nehrung morgens um 8 Uhr und abends um 19 Uhr ein Boot fahre. Nach Auskunft meiner Vermieterin soll es das zwar gar nicht geben, aber auch die drei Russen am Kap Kazantip hatten mir versichert, das klappe, man müsse nur mit 50 Grivna winken. Mal sehen, ob das klappt, sonst gibt es eben einen größeren Umweg ins Landesinnere.
Dzhuma-Dzhami-Moschee |
jüd. Kenase |
Nikolai-Kathedrale |
Sonntag, 25. September Yevpatorija - Olenivka - Chornomorske 181 km
Bei meinem Start kurz nach vor halb sieben Uhr ist es noch fast dunkel und mit 11 Grad empfindlich kühl. Der warme Faserpelz und der gute Nabendynamo bewähren sich bestens. Erst wenige Autos fahren mit Melonen und Trauben zum Markt in die Stadt, die Straßen sind noch fast leer. Ich halte ein Tempo von rund 25 km/h und bin um 07.40 Uhr wirklich schon in Mirny mit seinen großen Wohnblocks aus der Zeit, als am nahen Donuzlav-See die Schwarzmeer-Flotte einen wichtigen Stützpunkt betrieb. Unterwegs bin ich kaum 10 Autos begegnet, und hier scheint in diesen Morgenstunden auch noch kaum Leben zu existieren. Am Ende des Ortes wechselt die vierspurige Allee plötzlich in eine auseinander brechende Betonstrasse. Beidseitig leuchtet rotes Moos in den halb ausgetrockneten Sumpfflächen. Am Beginn der Nehrung gibt es nochmals einige neuere Häuser und sogar 2 halbfertige Hotels. Sonst nur kläffende Hunde und ein Frühaufsteher, der mir verwundert nachschaut. Nach den letzten Häusern versperrt eine Barriere die Löcherpiste, und auf das Bellen eines Wachhundes kommt aus einer Baracke ein Soldat und fragt erstaunt, was ich hier suche. Eine Fähre?? - Gibt es hier nirgends. Auch mein näheres Nachfragen bringt nichts, ab hier ist nur noch militärisches Sperrgebiet ! - Offenbar hat die Ukraine den ehemals russischen Stützpunkt am See wieder in Betrieb genommen. Für mich bedeutet dies gut 50 km Umweg um in nur 8 km weiter zum anderen Ende der Nehrung zu gelangen.
Aber der Zauber der Tarankhut hat mich gepackt, und so geht’s halt 5 km zurück und dann gegen kräftigen Gegenwind 22 km weit bis zur Hauptstraße Yevpatorija - Chornomorske zu trampen. Die windige Steppenlandschaft gibt mir einen Eindruck, wie eine Velotour durch Südrussland oder Kasachstan etwa sein könnte: so 1 -2 Tage noch faszinierend, aber dann nur noch Krampf! Ich mache mir das Leben mit guter Musik aus meinem i-Pod etwas leichter. Mit nur 4 weiläufigen Dörfern unterwegs bin ich um halb eins endlich wieder an der Küste. Wenigstens hatte ich die letzten 20 km wieder eher Rückenwind und der Frust macht wieder dem Genuss Platz. Ab Marine gibt es laut Karte nur einen kleinen Pfad der Küste entlang. Auf der Suche nach diesem kommt mir mitten im Ort ein Velofahrer mit Gepäck entgegen. Igor aus Kiew hat soeben während 3 Tagen das ganze Kap umrundet und ist total begeistert. Auf den folgenden 30 km werde ich für die bisherigen Strapazen tatsächlich reichlich belohnt. Auf mehr oder weniger deutlichen Wegspuren geht es der Küste entlang, die bald zu einem Steilufer wird, das in 20 bis 30 Meter hohen braunen, gelben und weißen Felsklippen in das tiefblaue Meer abfällt. Ab und zu begegne ich Radfahrern oder Automobilisten, die bei einem der seltenen Strandabschnitte campieren. Nackter Fels und Sandboden wechseln sich ab, aber langsam und mit vielen Photostops geht es vorwärts. Außer zwei einsame Höfe und ein Leuchtturm zeugt nur eine Reihe von etwa 10 Meter hohen runden Betontürmen von Bautätigkeiten; vermutlich irgendeine militärische Anlage aus der Sowjetzeit.
Es ist schon fast 16 Uhr, als ich mit Olenivka die westlichste Siedlung auf der Krim erreiche. Und wenn ich schon hier bin, will ich doch auch gleich noch die westlichste Landspitze sehen, also nach einigen frischen Trauben und Feigen im gleichen Stil weiter. Eine senkrecht aufgestelltes altes Torpedo steht als Landmarke auf der äußersten Landzunge. Eigentlich wäre es wunderbar, hier mit dem Zelt zu übernachten, aber ich habe weder Wasser noch etwas Essbares bei mir, und morgen Nacht fährt mein Zug nach Odessa. Also muss ich doch heute noch bis Chornomorske, und dafür kommt so spät nur noch die Straße in Frage. Nach einem letzten Sturz in einer sandigen Spurrinne bin ich um halb sechs wieder bei Olenivka und schaffe es nach 25 Kilometern auf holpriger Asphaltstraße ( und nicht ganz freiwilliger „Egalisierung“ meines bisherigen Tagesrekordes von 181 km ) genau mit einbrechender Dunkelheit zum Etappenziel Chornomorske. Entgegen meinen Erwartungen zeigt sich der Ort als eher verschlafenes Kaff, offenbar auch nur mit einem einzigen kleinen Hotel. Das „Jachont“ ist mit 350 Grivna zwar nicht billig, aber die großen Zimmer mit Sicht auf Garten und Meer sind das Geld wert. Als erstes muss ich duschen und sämtliche Kleider und Gepäcktaschen gründlich ausklopfen und reinigen; seit der Tour entlang der Küste ist alles nur noch graubraun, und der feine Staub hat sich überall festgesetzt. Für den Swimming-Pool ist es doch schon etwas kühl, ich suche mir in dem dunklen Ort lieber noch ein Lokal für ein gutes Nachtessen aus. In einem einzigen Lokal hat es noch Gäste, weil hier gerade eine Geburtstagsparty abgeht. Auch hier geht es nicht lang, bis ein Gast mich in ein Gespräch verwickelt und mir auch von sich erzählt: Pavel arbeitet 11 Monate in der „größten Tagbau-Grube der Welt“ (1 km tief) als Fahrer eines Erz-Transporters und im Sommer erholt er sich hier auf seiner Datscha bei Wandern und Fischen; zwar immer im Dreck, aber gut bezahlt, und von den Politikern sind ohnehin alles Halunken. Und einmal mehr höre ich, wie früher eben doch alles noch besser gewesen sei, und mir wird auch einmal mehr bewusst, wie privilegiert wir Westeuropäer sind ...
der grosse Umweg! |
Olenivka an der Westpitze der Krim |
Es ist schon fast 16 Uhr, als ich mit Olenivka die westlichste Siedlung auf der Krim erreiche. Und wenn ich schon hier bin, will ich doch auch gleich noch die westlichste Landspitze sehen, also nach einigen frischen Trauben und Feigen im gleichen Stil weiter. Eine senkrecht aufgestelltes altes Torpedo steht als Landmarke auf der äußersten Landzunge. Eigentlich wäre es wunderbar, hier mit dem Zelt zu übernachten, aber ich habe weder Wasser noch etwas Essbares bei mir, und morgen Nacht fährt mein Zug nach Odessa. Also muss ich doch heute noch bis Chornomorske, und dafür kommt so spät nur noch die Straße in Frage. Nach einem letzten Sturz in einer sandigen Spurrinne bin ich um halb sechs wieder bei Olenivka und schaffe es nach 25 Kilometern auf holpriger Asphaltstraße ( und nicht ganz freiwilliger „Egalisierung“ meines bisherigen Tagesrekordes von 181 km ) genau mit einbrechender Dunkelheit zum Etappenziel Chornomorske. Entgegen meinen Erwartungen zeigt sich der Ort als eher verschlafenes Kaff, offenbar auch nur mit einem einzigen kleinen Hotel. Das „Jachont“ ist mit 350 Grivna zwar nicht billig, aber die großen Zimmer mit Sicht auf Garten und Meer sind das Geld wert. Als erstes muss ich duschen und sämtliche Kleider und Gepäcktaschen gründlich ausklopfen und reinigen; seit der Tour entlang der Küste ist alles nur noch graubraun, und der feine Staub hat sich überall festgesetzt. Für den Swimming-Pool ist es doch schon etwas kühl, ich suche mir in dem dunklen Ort lieber noch ein Lokal für ein gutes Nachtessen aus. In einem einzigen Lokal hat es noch Gäste, weil hier gerade eine Geburtstagsparty abgeht. Auch hier geht es nicht lang, bis ein Gast mich in ein Gespräch verwickelt und mir auch von sich erzählt: Pavel arbeitet 11 Monate in der „größten Tagbau-Grube der Welt“ (1 km tief) als Fahrer eines Erz-Transporters und im Sommer erholt er sich hier auf seiner Datscha bei Wandern und Fischen; zwar immer im Dreck, aber gut bezahlt, und von den Politikern sind ohnehin alles Halunken. Und einmal mehr höre ich, wie früher eben doch alles noch besser gewesen sei, und mir wird auch einmal mehr bewusst, wie privilegiert wir Westeuropäer sind ...
Montag, 26. September Chornomorske - Steregushe - Krasnoperekopsk 128 km
Bei Tageslicht bekommt jetzt auch noch das Velo seine Reinigung, und nach dem guten Morgenessen mit Bliniy geht es tatsächlich „wie geölt“ ostwärts weiter. Zudem ist die Straße deutlich besser und doch ohne Verkehr, es ist flach und es windet auch nicht. Nach 18 km mache ich in Mizhvodne eine Znüni-Pause. Die Touristensaison ist unterdessen zu Ende, deshalb sind in der blumengeschmückten und den Fußgängern vorbehaltenen Hauptgasse die vielen Restaurants und Geschäfte auch um 10 Uhr noch geschlossen. In einer schönen Gartenbeiz bekomme ich wenigstens 2 kräftige Kaffee für 20 Grivna. Auf meine 100-Grivna-Note bekomme ich neben einem 50-er Schein 30 1-Grivna-Münzen, denn Wechselgeld in Noten ist häufig Mangelware.
Die folgenden 40 km geht es wieder durch endlose abgeerntete Felder mit vereinzelten Hecken und Baumreihen. In Steregusche komme ich zum letzten Mal direkt ans Meer und möchte deshalb auch nochmals schwimmen. Im Dorfladen kaufe ich meine Zwischenverpflegung und lasse mir dabei wieder einmal den Abakus erklären, der in vielen Läden immer noch anstelle von Taschenrechner oder Registrierkasse in Gebrauch ist. Der Strand ist total verlassen, im leichten Wind quietscht eine rostige Schaukel, die ersten 20 Meter im flachen Wasser stapfe ich über einen Teppich von angeschwemmtem Seegras. Aber das Bad im immer noch 19 Grad warmen Wasser ist nach der eintönigen Fahrt sehr entspannend. 25 km weiter werden ab Rozdolne die Felder wieder grün. Ein ausgedehntes Kanalsystem sorgt hier für intensive Bewässerung und ermöglicht Gemüseanbau und Futtergras. Offenbar erfordert diese Intensivwirtschaft aber auch großzügige Schädlingsbekämpfung, denn ich entkomme nur knapp einer Nebelwolke aus einem tieffliegenden Kleinflugzeug.
Ab Vorontsivka ist es vorbei mit der Ruhe. Auf der Hauptstraße von Simferopol nach Cherson herrscht dichter Verkehr mit sehr vielen riesigen Lastwagen. Und nachdem ich bisher fast immer eher überbreite Straßen mit reichlich Platz für mein Velo angetroffen habe, hat diese wichtige Straße auf langen Abschnitten geradezu schweizerische Dimension: 2 Fahrbahnen und außerhalb der Randmarkierung höchstens einen halben Meter Asphalt. Sobald im Rückspiegel ein Lastwagen auftaucht, weiche ich deshalb auf den groben Schotterstreifen nebenan aus. Offenbar treffe ich ausgerechnet auf den letzten Kilometern meiner Tour noch die gefährlichsten Abschnitte an. Um 17.45 Uhr kündet die Betonwand mit der Inschrift Krasnoperekopsk und den grimmigen Betonköpfen eines Arbeiters, eines Soldaten und eines Bauern das Ende der Velofahrt an.
am verlassenen Strand von Steregushe |
Ende der Velofahrt ! |
der "Veloplatz" im Nachtzug |
im Nachtzug nach Odessa |
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